Mangelhaftigkeit eines Reitpferds wegen Abweichung von der physiologischen Norm
von Rechtsanwalt Frank Richter
Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 266/06 – darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen bei einem verkauften Reitpferd Abweichungen von der physiologischen Norm als Sachmangel zu qualifizieren sind.
Die Vorinstanzen hatten einen Sachmangel des verkauften jungen Reitpferdes bejaht und den darauf gestützten Rücktritt der Käuferin gebilligt, weil das Tier bei Gefahrübergang im Bereich der Dornfortsätze der hinteren Sattellage so genannte Röntgenveränderungen der Klasse II-III wegen eines engen Zwischenraumes zwischen zwei Dornfortsätzen mit Randsklerosierung aufwies, die von der physiologischen Ideal-Norm abweichen. Das OLG Karlsruhe als Berufungsgericht hatte mit Urteil vom 23. Mai 2006 – 11 U 9/05 – einen Mangel bereits darin gesehen, dass aufgrund dieser Veränderungen ein höheres Risiko für das spätere Auftreten klinischer Symptome bestehe als bei einem Pferd mit idealen Anlagen und dass der Markt hierauf mit einem deutlichen Preisabschlag reagiere. Feststellungen zu den nach der Behauptung der Käuferin bereits aufgetretenen klinischen Erscheinungen des Tieres, die dessen Eignung als Reitpferd beeinträchtigen könnten, hat es deshalb folgerichtig nicht getroffen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nun aber entschieden, dass die Eignung eines klinisch unauffälligen Pferdes zur Verwendung als Reittier nicht schon dadurch in Frage gestellt wird, dass aufgrund bestehender Röntgenveränderungen eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen und die Vorinstanzentscheidungen somit aufgehoben und zurückverwiesen.
Auch für die Beurteilung der Frage, ob das verkaufte Pferd wegen Abweichung von der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde mangelhaft war, waren die Feststellungen der Vorinstanzen unzureichend. Abweichungen vom physiologischen Idealzustand kommen in gewissen Umfang bei Lebewesen häufig vor. Der Käufer eines Reitpferdes kann deshalb nicht erwarten, dass er auch ohne besondere Vereinbarung ein Tier mit idealen Anlagen erhält. Ob die bei der verkauften Stute festgestellte Abweichung als Mangel zu qualifizieren ist, hängt davon ab, wie häufig derartige Röntgenbefunde der Klasse II-III bei Pferden dieser Kategorie vorkommen.
Ein Mangel des verkauften Pferdes lässt sich schließlich auch nicht mit dem vom OLG festgestellten Umstand begründen, dass der Markt auf Veränderungen der Röntgenklasse II-III mit Preisabschlägen von 20 bis 25% reagiert. Abweichungen eines verkauften Pferdes von der physiologischen Norm, die sich im Rahmen der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Pferde halten, sind nicht deswegen als Mangel einzustufen, weil der Markt auf derartige Abweichungen mit Preisabschlägen reagiert. Preisabschläge beim Weiterverkauf, die darauf zurückzuführen sind, dass der Markt bei der Preisfindung von einer besseren als der tatsächlich üblichen Beschaffenheit von Sachen gleicher Art ausgeht, begründen nach Auffassung des BGH keinen Mangel.
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